Rom
Eine immerwährende Stadt?
Die Kluft zwischen Rom als "Welt-Stadt" und Rom als moderne Hauptstadt manifestiert sich in den vielen gescheiterten öffentlichen Projekten und verlassenen Flächen, die Folge von Grundstücksverkäufen und Immobilienspekulationen sind. Diese Ruinen werden zu Möglichkeitsräumen, in denen spontane Formen der Renaturierung sowie ein zivilgesellschaftliches Miteinander entstehen. Sie bieten einen Nährboden für Diversität und für eine Koevolution zwischen Mensch und Umwelt.
Dieser Bottom-up-Prozess der Regenerierung von Orten, die ihre ursprüngliche Funktion verloren haben, kann das Zusammenleben maßgeblich beeinflussen. Angetrieben von Bedürfnissen, die in der heutigen Gesellschaft unerfüllt bleiben, werden die Ruinen der Moderne bewohnt. Dadurch werden ökologische und soziale Beziehungen gefördert, die in Zeiten des Umbruchs dringend notwendig sind. Das Aufkommen solcher neuen Praktiken des Wohnens in den Ruinen öffentlicher Projekte ist durchwegs in der Lage, Rom erneut zu einer “Welt-Stadt” zu machen.

Überflutete Konstruktion am Ex-SNIA-Gelände, heute Lago Bullicante
Foto: Pierre Kattar
Menschen leben in Rom in besetzten Häusern.
Ruinen
wiederbewohnen
Rom ist eine Stadt, die sich durch eine bemerkenswerte Eigenschaft auszeichnet: die beständige Fähigkeit zur Selbsterneuerung. Über Jahrhunderte hinweg war es gerade die kreative Wieder- und Neunutzung ihrer eigenen Ruinen, die diesen Prozess prägte. Diese Relikte vergangener Epochen bildeten nicht nur den kulturellen Resonanzraum der Stadt, sondern auch das materielle Fundament ihrer urbanen Struktur. Doch dieser einst zyklische Prozess scheint an seine Grenzen zu stoßen. Die Ruinen, die einst Sinnbild für Wandel und Beständigkeit zugleich waren, erweisen sich zunehmend als erschöpft – ein warnendes Zeichen für die Fragilität eines Modells, das auf der permanenten Transformation des Alten beruht.

Spin Time Lab, ein besetztes ehemaliges Verwaltungsgebäude
Foto: Zara Pfeifer
Menschen aus 27 Nationen leben im Spin Time Lab.
Bottom Up
Rom fasziniert weniger durch geplante Reaktionen auf globale Herausforderungen, sondern durch die unvorhersehbaren, kreativen Antworten auf das Scheitern von (öffentlichen) Projekten. Im Überlebenskampf entstehen hier neue Strukturen aus Aneignung, Umnutzung und Neuerfindung verfallener urbaner Räume. Diese improvisierten Landschaften sozialer und natürlicher Dynamik eröffnen eine fragile, aber einzigartige Perspektive auf urbane Regeneration. Die von Vielfalt und Widerstandskraft geprägten Orte erweisen sich als Zufluchtsstätten, die soziale und ökologische Anpassungsstrategien hervorbringen. Spontane Wiederaufforstungen fördern Biodiversität, während zugleich neue Räume für ziviles und demokratisches Miteinander entstehen. Sie sind unverzichtbare Knotenpunkte für den Regenerationsprozess der Stadt – widerständig, kreativ und stets bedroht durch Eingriffe von außen.

Mauro Cuppone, Fart, im MAAM - Museo dell'Altro e dell'Altrove di Metropoliz, in einer besetzten früheren Wurstfabrik
Foto: Giorgio Benni