11.00 Uhr
Umwelt, Erbe und Massentourismus.
Austausch mit dem Forum Territoriale Parco delle Energie (Rom), Sarah Gainsforth (Rom) und Maurizio Veloccia (Stadtrat für Stadtplanung, Rom).
14.00 Uhr
Kurator:innen-Führung durch den Pavillon
15.00 - 17.00 Uhr
OPEN ASSEMBLY
Gäste: Michele Colucci (CNR - ISMed, Rom), Michele De Sanctis (Universität Sapienza, Rom), Forum Territoriale Parco delle Energie mit dem Centro di Documentazione Maria Baccante – Archivio Storico della Viscosa, CSOA eXSnia und Lokomotiv (Rom), Sarah Gainsforth (Rom), Sergio Scalia (Bezirksstadtrat für Stadtplanung, 5. Bezirk, Rom), Lina Streeruwitz (Studio Vlay Streeruwitz, Wien), Philip Ursprung (ETH Zürich), Alessandra Valentinelli (Rom), Maurizio Veloccia (Stadtrat für Stadtplanung, Rom).
Geplante und spontane Renaturierungen lassen im städtischen Kontext unvorhersehbare Umgebungen entstehen, in denen sich die ökologische Dynamik negentropisch entwickelt: sie begünstigt die biologische Vielfalt, anstatt sie – wie es heute überall geschieht – zu verringern. Solche Ökosysteme sind von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, den Klimawandel und die globale Erwärmung in den Städten zu bekämpfen. Sie sind natürliche Reserven, die neue ökologische Beziehungen in den Städten entwickeln. Die Frage ist: Wie kann man diese Reserven nutzen, ohne ihr ökologisches Werden zu gefährden? Für Bewohner:innen und Tourist:innen werden solche Orte zunehmend attraktiver, aber wie kann man sie sich temporär aneignen, wie sie besuchen? Wie sollte die Stadtentwicklung mit ihnen umgehen? Menschliches Verhalten hat die Umwelt immer verändert. Könnte die Umwelt heute das kollektive Verhalten verändern? Wenn ehemals städtische Räume zu Naturräumen werden, wie könnte ihre Nutzung umweltfreundlich werden? Die Flächennutzung hat immer die Umwelt bestimmt, könnte die Umwelt auch die Flächennutzung bestimmen?
Michele Colucci ist Historiker und leitender Wissenschaftler am Nationalen Forschungsrat (CNR) – Institut für Studien zum Mittelmeerraum. Er leitet das Forschungsprojekt Geschichte der Mittelmeermigrationen in der Gegenwart. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Zeitgeschichte, insbesondere in den Bereichen Migration, Migrationspolitik, Arbeits- und Sozialpolitik. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und Träger mehrerer Auszeichnungen. Von 2013 bis 2016 war er wissenschaftlicher Leiter der CNR-Forschungseinheit in Neapel im Rahmen des FIRB-MIUR-Projekts Grenzen des Mittelmeers: Welche Durchlässigkeit? Austausch, Kontrolle, Zurückweisung (16.–21. Jahrhundert).
Michele De Sanctis ist Botaniker und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich für Umweltbiologie der Universität Sapienza in Rom. In seiner Forschung untersucht er, wie sich die Zusammensetzung pflanzlicher Lebensgemeinschaften und die Artenvielfalt unter dem Einfluss ökologischer, historischer und menschlicher Faktoren verändern. Er hat an zahlreichen internationalen Kooperationsprojekten im Bereich Naturschutz mitgewirkt – sowohl in Italien als auch in verschiedenen biogeografischen Regionen weltweit, darunter der Balkan, Papua-Neuguinea, Südostasien und Afrika. In Italien und Europa war er an der Entwicklung und Umsetzung des Natura-2000-Netzwerks im Rahmen der EU-Habitatrichtlinie beteiligt.
Forum Territoriale Parco delle Energie setzt sich seit seiner Gründung für den Schutz des verlassenen Industriegebiets ein und fordert öffentlich, dass auf dem ehemaligen Snia Viscosa-Gelände, wo 1992 der Bullicante-See entstand, ein naturkundlich-archäologischer Park entsteht. Dieser einzigartige Lebensraum, der sich im Herzen eines stark urbanisierten Viertels entwickelt hat, muss dringend geschützt werden. Durch die monatlich stattfindenden Versammlungen, bei denen Anwohner:innen, Aktivist:innen, Forscher:innen, Künstler:inen und lokale Vertreter:innen teilnehmen, dient das Forum als Treffpunkt für die verschiedenen sozialen Kräfte des Stadtteils und der Stadt, um den gesamten Parco delle Energie zu verwalten und zu pflegen.
Centro di Documentazione Maria Baccante – Archivio Storico della Viscosa
Nach der Besetzung begannen die Aktivist:innen über lange Zeit vernachlässigte Materialien wie technische Pläne, Maschinenzeichnungen und Akten von Arbeiter:innen zu sichern und systematisch zu katalogisieren. Im Jahr 2012 erkannte die Archivaufsicht von Latium diesen Bestand als von besonderem historischem Interesse an, was zur Gründung des Historischen Archivs der Viscosa führte. Einige Jahre später entwickelte sich daraus das Dokumentationszentrum Maria Baccante, das inzwischen weitere Archive beherbergt. Das Zentrum versteht sich als selbstorganisierter Raum für partizipative Forschung und die Aufwertung einer Geschichte und Erinnerung von unten.
CSOA eXSnia ist ein selbstverwaltetes soziales Zentrum, das 1995 durch die Besetzung eines Teils einer ehemaligen Kunstseidenfabrik gegründet wurde. Ziel war es, einen dauerhaften Ort der Rückeroberung städtischer Räume gegen Immobilienspekulation zu schaffen – mit dem Anspruch, soziale und kollektive Ausdrucksformen jenseits von Profit- und Delegationslogiken zu ermöglichen. Das Zentrum ist heute ein bedeutender Ort selbstverwalteter Kulturproduktion, ein Raum für experimentelle Kunst, migrantische Gemeinschaften und intergenerationelle Begegnung. Die Aktivitäten reichen von Volkstänzen und den ersten italienischen Schulen für Migrant:innen über Epiphanie- und Karnevalsfeiern bis hin zu Theaterworkshops mit zahlreichen Künstler:innen und Autor:innen. In den fast 30 Jahren seiner Existenz hat das Zentrum viele politische Initiativen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene unterstützt – zu Themen wie Migration, Umwelt, Gesundheit und unabhängiger Kulturarbeit. Besondere Aufmerksamkeit gilt zudem Kindern (LudOfficina Mompracem), nachhaltiger Mobilität (Don Chisciotte-Fahrradwerkstatt) und der selbstbestimmten, solidarischen Lebensmittelversorgung (kollektiver Gemüsegarten und Solidarischer Einkaufskreis).
Lokomotiv ist ein populärer Sportverein, der seit Ende der 1990er Jahre aktiv ist. Gegründet von Aktivist:innen des sozialen Zentrums Ex SNIA, sollte er den sportlichen Bedürfnissen eines Arbeiter:innenviertels gerecht werden – daher der Name Lokomotiv. Seit 2015 ist der Verein offiziell als Lokomotiv Prenestino eingetragen und umfasst heute 14 Sportarten mit rund 300 aktiven Sportler:innen. Ziel ist es, Sport für alle zugänglich zu machen und soziale, wirtschaftliche sowie geschlechtsspezifische Barrieren zu überwinden. Der Verein fördert Gemeinschaft, Spiel und Begegnung im Kontext eines multikulturellen Stadtviertels. Respekt, Solidarität, Inklusion und Fairness sind Grundwerte des Vereins – auch symbolisch vertreten durch die Vereinsfarben, die von der Flagge Kurdistans inspiriert sind.
Sarah Gainsforth ist unabhängige Forscherin, Sachbuchautorin und freie Journalistin. Ihre Arbeit konzentriert sich auf Wohnen, Tourismus und Gentrifizierung im Kontext der sozialen und ökologischen Kosten, die durch den Kapitalismus entstehen. Sie ist Mitwirkende bei Il Manifesto und Internazionale und Autorin von Airbnb Città Merce, Storie di resistenza alla gentrificazione digitale (Airbnb – Stadt als Ware, Geschichten des Widerstands gegen digitale Gentrifizierung), die 2020 für den Premio Napoli nominiert wurde; Oltre il turismo, Esiste un turismo sostenibile? (Über den Tourismus, gibt es nachhaltigen Tourismus?); Abitare Stanca, La casa: una storia politica (Wohnmüdigkeit, ein politisches Märchen); Dopo la gentrificazione, un quartiere laboratorio dalla crisi economica all'abitare temporaneo (Nach der Gentrifizierung, ein Stadtviertel als Labor, von der Wirtschaftskrise zum temporären Wohnen); L’Italia Senza casa, Politiche abitative per non morire di rendita (Obdachloses Italien, Wohnungspolitiken, um nicht an Mieten zu sterben).
Lina Streeruwitz studierte Architektur in Wien und Buenos Aires. Neben ihrer Praxis als Architektin lehrte sie in Wien an der Technischen Universität und der Akademie der bildenden Künste Wien sowie an der Universität Stuttgart und verfasste ihre Dissertation mit dem Titel GRAS RASTER STAUB NICHTS. Seit 2009 arbeitet sie mit Bernd Vlay zusammen und formierte mit ihm 2017 das Büro StudioVlayStreeruwitz. Ein Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit liegt in der Entwicklung und Umsetzung städtebaulicher Masterpläne, wobei stets das Vorgefundene als Ressource und Ausgangspunkt für neue Möglichkeiten interpretiert wird. Die Planung großvolumiger Wohnbauten im geförderten und freifinanzierten Bereich schließt unmittelbar an die Frage der nachhaltigen Quartiersbildung an. Parallel zur intensiven Beschäftigung mit Wohnbau wurden Fragen der Nutzungsoffenheit und -mischung ein zentrales Thema für das Büro, das in Forschungs-, Stadtplanungs- und Bauprojekten verfolgt wird.
Philip Ursprung ist Professor für Kunst- und Architekturgeschichte sowie Leiter des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur an der ETH Zürich. Im Jahr 2023 vertrat er gemeinsam mit Karin Sander die Schweiz auf der Architekturbiennale in Venedig mit der Ausstellung Neighbours. Er studierte Kunstgeschichte in Genf, Wien und Berlin und promovierte an der Freien Universität Berlin. Lehraufträge führten ihn unter anderem an die Universität Zürich, Columbia University New York, Universität der Künste Berlin, Cornell University und die TU Wien. Ursprung ist Herausgeber von Herzog & de Meuron: Natural History (2002), Mitherausgeber von Gordon Matta-Clark: An Archival Sourcebook (2022) und Autor von Allan Kaprow, Robert Smithson, and the Limits to Art (2013). Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen zählen Joseph Beuys: Kunst, Kapital, Revolution (2021) sowie Architektur der Gegenwart (2025).
Alessandra Valentinelli ist Stadtplanerin und Landschaftshistorikerin. Sie berät öffentliche Verwaltungen in den Bereichen strategische Umweltprüfung, Klimaanpassung und Bodenschutz. Sie unterrichtete zu diesen Themen an der IUAV Venedig, der Universität Sapienza in Rom sowie am Politecnico di Milano. In ihren Veröffentlichungen beschäftigt sie sich mit dem Zusammenspiel von Raumplanung, Landschafts- und Umweltschutz als zentralem Bestandteil öffentlicher Daseinsvorsorge.
Maurizio Veloccia ist stellvertretender Bürgermeister für Stadtplanung in Rom. Als Elektroingenieur und Experte für Informations- und Kommunikationssysteme war er zuvor stellvertretender Stabschef der Region Latium. Von 2013 bis 2016 war er Präsident des 11. Stadtbezirks von Rom. Veloccia war außerdem als Unternehmensberater und Projektmanager für mehrere innovative Unternehmen tätig, darunter LaIT – Lazio Innovazione Tecnologica, ein Inhouse-Unternehmen der Region Latium.